Ein Mix aus Gelände und Gefühlen
Chhhrzzz… Das Geräusch der Steigeisen, wenn sie nicht in der Ritze halten und über Felsen radieren – welche Alpinistin und welcher Alpinist kennt ihn nicht, den bittersüßen Sound des Schreckens? Cool bleiben, durchschnaufen und noch präziser weiterklettern: Eine Taktik, welche die Powerfrauen des Naturfreunde Alpinkaders 4.0 in diesen Tagen vertiefen. Nach ziemlich genau einem Jahr, in dem sie schon so vieles lernen durften, steht bereits das letzte Ausbildungs-Modul am Programm: Mixed-Klettern. Zugleich auch Vorbereitung ihrer Abschluss-Expedition im Herbst, über die sie bald mehr verraten werden.
Die Wetterlage über dem Alpenraum macht die gemeinsame Woche mit Ausbilderin und Bergführerin Babsi Vigl in Chamonix zur extrem spannenden Zeit zwischen Entscheidungsfindung und Routenplanung. Best Practice für eine Expedition! Zum Auftakt nutzten sie (vermeintlich) bessere Sichten für eine lässige Ski-Safari gespickt mit einer stapf-freundlichen Steilrinne, Abseilmanövern und rassigen Schwüngen im atemberaubenden Ambiente zwischen Grandes Jorasses und Mont Blanc Am ersten Schlechtwettertag ließ nicht nur die Kletterhalle grüßen, sondern auch ein fernes Ziel: So eine Expedition möchte schließlich gut geplant werden – nicht nur am Berg, sondern auch am PC! Die Anreise sollte möglichst umweltfreundlich angegangen werden. Kein Flugzeug, das ist soweit klar.
Zurück nach Chamonix: Mit dem Neuschnee in der Höhe war es die nächste Challenge, für die folgenden Tage ebenso sichere wie schöne und spannende Touren zu finden. Mit Plan A bis G in der Tasche glückten die wertvollen Draußen-Tage: Zuerst zogen die zwei Dreier-Seilschaften von der imposanten Aiguille de Midi los Richtung Triangle du Tacul und statteten dem Perroux Gully und Chéré-Couloir einen Besuch ab. Zwar sollten die wetterbedingt kurzen Seilbahnzeiten an diesem Tag nicht die ganze Tour zulassen, doch das trübte die Freude kaum. Die ersten anspruchsvollen Meter und Tipps waren in der Tasche!
Am nächsten Tag starteten sie sogar im Regen los Richtung Grand Montets und wurden auf der Arête de Bochard nicht nur mit Sonnenschein belohnt, sondern mit einem interessanten Mixed-Gelände für alle: Das reichte von verkeilten Eisgeräten in senkrechten Rissen, wie eine Wühlmaus auszuputzenden Placements, kurzem Fluchen (da hat jede ihre eigene Taktik) bis hin zu erleichterndem Grinsen. Das Abseilen als eingespieltes Team lief wie am Schnürchen und die abschließende Abfahrt mit Skiern war trotz 15 Kilogramm schweren Rucksäcken das Sahnehäubchen. Was für ein Mix aus Felsen und Eis, aus Sonne und Schnee, aus Fürchten und Freuen! Alles das konnte nur noch eines toppen: Burger und Bier in town. Cheers et à bientôt!
Über ein Meter Neuschnee, stürmischer Wind, gesperrte Seilbahnen, unter Schneelast geknickte Bäume und blockierte Straßen, Lawinenlage 4 und am Ende noch ein viraler Infekt, der die halbe Truppe hartnäckig heimsuchte: Die Teilnehmerinnen des Naturfreunde Alpinkaders hätten sich den Abschluss ihres finalen Ausbildungs-Updates in Chamonix anders gewünscht. Und dennoch war diese Ausnahmesituation das vielleicht beste Expeditions-Training überhaupt - vor allem für den Kopf. „Diese Update hat uns allen einen Spiegel vorgehalten, wie wir in unangenehmen Momenten agieren und reagieren“, reflektiert Elena Barbist offen. Gerade für ihre gemeinsame Abschluss-Expedition im September (bald einmal mehr dazu!) werde es hilfreich sein, Verhaltensmuster zu hinterfragen, damit sie auch in brenzligen Momenten, bei Wartezeiten oder Planänderungen gut im Team kommunizieren und agieren können, sagt die junge Tirolerin. Somit bleibt das Mixed-Kletter-Modul nicht nur als besonders wertvoll in Erinnerung punkto Klettertraining, Tourenplanung und Entscheidungsfindung, sondern war auch eine Lehrstunde auf einer weiteren Ebene. Das Geniale an der Sache: Diese Erkenntnis kommt, ehe die Stimmung kippte. Das erfreute auch ihre Mentorin und Bergführerin Barbara Vigl, die für die Abschlussexpedition sehr positiv gestimmt ist, „vor allem nachdem wir jetzt ein Modul hatten, wo das Wetter grottenschlecht war. Die Mädels standen dennoch lachend mit der Schneeschaufel am Morgen vor der Tür. Das zeigt auch: Selbst wenn die Bedingungen am Berg nicht gut sind, bleibt die Stimmung gut. Das finde ich eine wahnsinnig gute Basis.“ Für Elena Prem war die Situation auch neu. Sich trotz Tatendrang in Geduld zu üben und die Lage zu akzeptieren und adaptieren. „Bei sechs Leuten gibt es sechs verschiedene Meinungen. Man muss einen gemeinsamen Nenner finden, der für alle passt. Und da darf ich noch viel lernen und an mir arbeiten“, gesteht die Physiotherapeutin. „Patience is the key!“ Das nimmt sie als Learning mit auf ihren weiteren Alpinistinnen-Weg. Die angespannte Lage in den Westalpen sollte sich unter der Aprilsonne zum Glück bald wieder entspannen, doch das Zeitfenster für ihr gemeinsames Mixed-Kletter-Modul war zu Ende - und an eine weitere Tour in hochalpinem Mixed-Gelände war in sicherem und sinnvollen Stil nicht zu denken. Trotz der Heimreise fiebern sie im Kopf schon der nächsten Reise entgegen: dem Grande Finale ihrer unvergesslichen Alpinkader-Zeit. Stay tuned!